Teilprojekt Religion

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Die Diskussionsergebnisse aus den Worldcafé-Runden (Fotos der „Tischdecken“) sind zum Download bereit in der Rubrik „Dokumentation„!


Beispiele aus der Religion für gelungene Integration

Von Peter Sorie Mansaray (Pastor im Afrikanischen Zentrum Borgfelde)

Integration: Religion = Teil des Ganzen! from Musik im Management on Vimeo.

>>>Im Rahmen unseres Projektes: Sonntag, 11. Juni 2017: Internationaler Gospelgottesdienst<<<
>>>mit Pastor Peter Mansary, Pfarrerin Johanna Klee und Gospelsängern / Musikern.<<<
>>>Offen für Menschen aller Konfessionen und Religionszugehörigkeiten!<<<

1. Beispiel: Internationaler Gospelgottesdienst in Hamburg – Die Lebendigkeit Gottes erlebbar machen

Am 12. Juni 2016 feierten die Partner des Afrikanischen Zentrums Borgfelde das zehnjährige Jubiläum des Internationalen Gospel-Gottesdienstes. Zu diesem Jubiläum wurde das ZDF neugierig auf die Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde und hat den Internationalen Gospel-Gottesdienst unter dem Motto „Brücken bauen!“ begleitet und gesendet. Ein deutliches und anerkennendes Zeichen dafür, dass interkulturelles Zusammenleben funktioniert und dass es sich lohnt, andere ebenfalls dazu zu ermutigen!

(Link zur ZDF-Sendung auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=wUGs2_C441s)

Jeweils am 2. Sonntag des Monats um 18 Uhr wird der Internationale Gospel-Gottesdienst in der Erlöserkirche Borgfelde (Hamburg) gefeiert. Er ist durchgehend 2-sprachig und dauert jeweils eineinhalb bis zwei Stunden.

Unser Anliegen und Ziel ist es, einen Gottesdienst zu feiern, in dem sich sowohl Afrikaner als auch Deutsche wohl fühlen und mitmachen. Das bedeutet gleichzeitig: Für alle ist dieser Gottesdienst zunächst etwas ungewohnt: für viele Deutsch etwas „zu laut“ und für manche Afrikaner „zu nüchtern“.

Unser Ansatz bei der Gestaltung des Gottesdienstes ist so viel Beteiligung und Kontakt wie möglich. Dazu gehören eine ausführliche Zeit zum gegenseitigen Begrüßung mit Handschlag, ein Bibelgespräch in „Murmelgruppen“ (= Kleingruppen) nach der Evangeliums-Lesung, die Einladung zum offenen Fürbittengebet und regelmäßig auch das Angebot einer persönlichen Segnung.

P. Mansaray & J, Klee, 11.6.17 in BS

Die Elemente sind jeweils eine Mischung aus „Deutschem“ und „Afrikanischen“, die sich in den Vorbereitungs-Gesprächen der beteiligen afrikanischen und deutschen Pastoren entwickelt haben.

Während die „Murmelgruppen“ zu einer Impulsfrage eher ein deutsches Element sind, entspringen viele Beiträge, die hinterher im „Plenum“ der Gemeinde von afrikanischen Christen vorgetragen werden, eher der afrikanischen Frömmigkeit.

Unser Anliegen ist es, die Lebenswirklichkeit (von Afrikanern zusammen mit Deutschen in Hamburg) ins Gespräch zu bringen. Ins Gespräch mit dem Bibeltext und ins Gespräch unter den Besuchern. Dabei begegnen sich immer wieder sehr unterschiedliche Frömmigkeits-Stile.

Der Internationale Gospel-Gottesdienst möchte keine neue Gemeinde aufbauen. Wir wollen eine ‚fellowship‘ sein, in der sich Menschen aus afrikanischen und deutschen Gemeinden einmal im Monat begegnen und sich mit den anderen Teilnehmern erleben können.

Jeden Monat kommen ca. 80 bis 150 Besucher und Besucherinnen. Und dabei sind beim jedem Gottesdienst in der Regel bis zu zehn neue Leute dabei. Die Beteiligung von Afrikanern liegt bei ca. einem Drittel. Das Verhältnis bei den Aktiven (Pastoren, Sänger, Musiker, Lektoren etc.) ist ausgeglichen.

Die Haupt-Attraktion unseres Gottesdienstes – vor allem für Deutsche – ist die Gospel-Musik.

Gospelgottesdienst mit Kirk Smith und weiteren Künstlern (11.6.2017 in BS)

„Gospel ist für mich die Verbindung von Freude an der Musik und meinem Glauben.“

sagte neulich eine Sängerin aus unserem Chor.

In den ersten Jahren haben wir jeden Monat einen deutschen Gospelchor eingeladen. Seit vier Jahren haben wir nun unseren eigenen Chor, die ‚Hamburg Gospel Ambassadors‘. Durch unseren nigerianischen Chorleiter Folarin Omishade kommt ein ganz eigener Stil in die Musik. Und die wöchentlichen Chorproben bietet jungen und alten Männern und Frauen zusätzlich eine lebendige Gemeinschaft.

Neben unserem Chor wird die Musik in unserem Gottesdienst von den Ministers‘, der ghanaischen Hausband der African Christian Church Hamburg gestaltet. Sie spielen z.B. auf, wenn wir bei der Kollekte durch den Mittelgang nach vorne tanzen. Und manchmal wird daraus ein richtiger ghanaischer Gottesdienst-Tanz. Das ist dann ein spontanes Element unserer Feier.

Schon unsere monatlichen Vorbereitungstreffen, das Gespräch über Bedeutung und Relevanz der geplanten Predigttexte ist eine sehr bereichernde interkulturelle Zusammenarbeit.

Insgesamt ist unser Projekt ein langsamer aber stetiger Annäherungsprozess von Menschen aus sehr unterschiedlichen Lebenssituationen zur gemeinsamen Lebensgestaltung.

Wir folgen der Vision eines ‚Afrikanischen Zentrums‘, eines Ortes der Gastfreundschaft, an dem ausnahmsweise nicht die deutschen Kirchengemeinden, sondern die afrikanischen Christen die Gastgeber sind. Der Internationale Gospel Gottesdienst ist ein wichtiger Baustein auf diesem Weg.

2. Beispiel: Interkultureller Konfirmandenunterricht –  Das Eigene durch das Fremde entdecken

Über Religion heute zu sprechen, scheint ein Paradox zu sein. Zum einen ist es offensichtlich: Wir leben in einer säkularen Zeit. Christliche Religion und Kirche verlieren mehr und mehr ihren Anspruch, repräsentativ für die Gesellschaft zu stehen. Zum anderen ist ebenso klar: Religion spielt immer mehr eine entscheidende Rolle im gesellschaftlichen und auch im politischen Bereich. Und vor allem in den Lebenswelten der Jugendlichen. Durch Schule und Freizeit ist es für sie – anders als bei den Erwachsenen – Alltag, in einer Pluralität von Religionen zu leben.

Foto: Arnold Morascher

In Hamburg wird seit einigen Jahren der Religionsunterricht nicht nur konfessions-, sondern auch religionsübergreifend erteilt. Der Religionsunterricht wird für die Jugendlichen zum Ort, wo sie ihren eigenen Glauben im Spiegel des Fremden entdecken können. Diese Erfahrung, das Eigene durch das Fremde zu entdecken, war für Dr. Andreas Holzbauer (damals als Vikar der Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde tätig) der Beginn der Überlegungen, einen interkulturellen Konfirmandenunterricht zu konzipieren und als Gemeindeprojekt zu verwirklichen.


Eine Fusion, von der alle profitiert haben

Als Ausdruck des interkulturellen Miteinanders findet seit über zehn Jahren monatlich ein International Gospel Service statt, der liturgische Elemente aus beiden religiösen Traditionen in sich vereint und auch von den drei Gemeinden (St. Georg-Borgfelde, African Christian Church und Ghana Methodist Church) gemeinschaftlich vorbereitet und durchgeführt wird.  Sowohl auf „deutscher“ als auch auf „afrikanischer“ Seite ist das Bedürfnis nach einem interkulturellen Miteinander, das sich in gemeinsamen Projekten und gemeinsamen Gottesdiensten ausdrückt, größer geworden. So wurde als Gemeindeprojekt das Konzept eines interkulturellen Konfirmandenunterrichts entworfen und seit August 2013 als ein gemeinsames Angebot der KG St. Georg-Borgfelde und der African Christian Church durchgeführt.

Grundmotiv: Reise

Ausgehend von der biblischen Geschichte ist das Grundmotiv unserer Konzeption die Reise. Auf einer Reise sind wir am neugierigsten, wir sind offen für neue Eindrücke, neue Menschen, Erlebnisse usw.

Oft erleben wir am Ende der Reise, dass wir durch das Neue viel über uns selbst gelernt haben. Genau so ist das mit uns und unserem Glauben. Indem wir offen und neugierig dem Anderen und Unvertrauten begegnen und uns öffnen, erfahren wir viel über uns und unseren eigenen Glauben, vertiefen und erweitern ihn. Das Motiv der Reise bringt einen zentralen Punkt des Konzepts zum Ausdruck: Gegenseitige Wertschätzung in Musik, Kultur und Lebensweise führt zu gegenseitigem Respekt im Glauben.

Rucksack, Bollerwagen und Engelsflügel

Beim ersten Elternabend und dem Kennenlernwochenende der Konfis, haben wir versucht, unser Konzept durch drei Symbole zu visualisieren.

  • Rucksack: Was haben wir / die Konfis im Gepäck? Was sind unsere Erfahrungen, Prägungen, und Erlebnisse? In welchen Bereichen haben wir Interesse oder auch Zweifel an Religion?
  • Bollerwagen: Wir wollen einen besonderen Weg gemeinsam gehen. Gemeinschaft ist wichtig, sie kann aber nur funktionieren, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden. Die Teamer sind dabei besondere Wegbegleiter.
  • Engelsflügel: Sie symbolisieren den Entdeckungsflug der Konfis in ihrem Glauben. Sie können dadurch näher zu Gott kommen. Dabei wollen wir die Kirchengemeinde als Ort ins Gespräch bringen, wo die Konfis ihren Glauben entdecken und leben können.

Das Team

Unser Vorbereitungsteam, das sich bereits einige Zeit vor dem Beginn des interkulturellen Konfiunterrichts im August 2013 formiert hatte, war groß und heterogen. Gleichzeitig hat sich die Größe als sehr gut erwiesen, da es allen Beteiligten ein wenig Flexibilität erlaubte.

Zugleich war und ist der Zusammenhalt im Team besonders groß und im Nachhinein sogar gewachsen. Das liegt auch daran, dass es Für unsere Art des Konfirmandenunterrichts keine Vorlagen und nur wenig Materialsammlungen oder ähnliches gibt.

Das eröffnete für jeden die Möglichkeit, ihre bzw. seine theologischen Kompetenzen in die konkrete Gestaltung des Unterrichts mit einzubringen. Gerade bei den Ehrenamtlichen und den Teamern war das ein ungewohntes Gefühl und manchmal eine große Herausforderung.

Kurz: Zusammen mussten wir den Konfiunterricht einfach neu erfinden.

 

Biblische Überlegungen

Für uns als Team war eine biblische Geschichte Leitmotiv und Ausgangspunkt für unser Konzept: die Geschichte von Philip und dem äthiopischen Kämmerer (Apg. 8, 26-40). Sie betont zwei Gesichtspunkte:

  • Interkulturelle Begegnungen sind die Wurzel des Christentums und
  • Identität geschieht in Begegnung mit dem Fremden

 

Konfis und die Gemeinde(n)

Der interkulturelle Konfiunterricht war von Anfang an als ein gemeinsames Projekt zweier Kirchengemeinden konzipiert. So spielte die Partizipation beider KGs eine konzeptionelle Rolle. Sei es bei dem Kennenlernen der unterschiedlichen Liturgien, beim Übernachten in der Kirche mit anschließend gemeinsamer Feier der Osternacht oder bei der Mithilfe bei der Verköstigung der Lampedusa-Flüchtlinge – die Konfis bekamen die Möglichkeit, beide Kirchengemeinden und deren Vertreter kennen zu lernen. Das Projekt brachte aber auch die Kirchengemeinden selbst näher zusammen. War anfangs – gerade auf Seiten der Eltern – noch einiges Misstrauen gegenüber dem interkulturellen Konfiunterricht vorhanden, nahmen diese im Laufe der Zeit ab. Hierbei war aber immer wieder kontinuierliche Überzeugungsarbeit für die Eltern gefordert.

Die Gottesdienste waren zweifellos die Höhepunkte des interkulturellen Konfiunterrichts. Hatte der Vorstellungsgottesdienst zu Beginn des Konfiunterrichts noch für einige Irritationen seitens einiger Eltern geführt, so waren der Taufgottesdienst und die Konfirmation selbst feierliche und ausgelassene Gottesdienste, die die kulturelle Pluralität zum Ausdruck gebracht haben, ohne dabei beliebig zu wirken. Die beiden Kirchengemeinden selbst haben insbesondere bei der Konfirmation gespürt, welches Potential eine interkulturelle Arbeit haben kann. Die Kirche war so voll wie vielleicht an Weihnachten – und sie war einfach bunt. Das anschließende gemeinsame Fest wurde von fast allen GottesdienstbesucherInnen wahrgenommen und es wurde über Stunden sich angeregt unterhalten und ausgelassen gefeiert.

Fazit:

Dass unser interkultureller Konfirmandenunterricht ein so großer Erfolg geworden ist, damit hat keiner gerechnet. Es hat aber auch keiner damit gerechnet, wie viel Arbeit er Monat für Monat vom Team abverlangt, wie leicht Missverständnisse entstehen und wie inspirierend sie aber auch sein können. Nicht nur wir, sondern vor allem auch die Konfieltern hatten sich auf ein Experiment eingelassen. Missverständnisse sind an ganz ungewohnten Stellen aufgetreten – dadurch sind aber auch Lernprozesse in Gang gekommen. Die Missverständnisse ermöglichten ein intensiveres Kennenlernen und halfen somit, sichtbare und unsichtbare Barrieren zwischen den Gemeinden abzubauen. Beide Gemeinden konnten sich durch das gemeinsame Projekt Konfirmandenunterricht konkret kennenlernen und das Potential, was interkulturelle Arbeit in sich birgt, erahnen. Schließlich haben sie das Gefühl bekommen, beim Anderen auch zu Hause sein zu können.

Entscheidend für uns alle ist aber der Umstand gewesen, dass die Konfis immer wieder Lust auf KonfiSamstag hatten. Oder wie es mir eine Mutter mal nach dem Gottesdienst erzählte:

„Ich sage zu meinem Sohn, wenn du keine Lust hast, brauchst du nicht am Konfiunterricht teilzunehmen. Aber mein Sohn sagt immer: Nein, ich will da hin, der KonfiSamstag ist cool!“